Es ist nicht alles Blech, was glänzt

Trostberger Nachrichten 16. Mai 2010

 

T r o s t b e r g (fal). Keiner ist wie der andere. Linkslenker, Rechtslenker, drei oder zwei Scheibenwischer, eckiger oder ovaler Kühlergrill. Zwei-Liter-Maschine vom Ford Cortina der britischen Taunus-Version, oder Vier-Liter-Aggregat mit acht Zylindern. Bei einem kann die Windschutzscheibe nach vorne weggeklappt werden. Aber allen ist eins gemein: Sie sind dem legendären Morgan 4/4 nachempfunden. Die Cabrios werden heute um 17 Uhr zum Abschluss der "Merlin-Tour Chiemgau 2010" in der Trostberger Hauptstraße stehen. Merlins aus ganz Deutschland, aus Österreich und aus Holland.

Organisiert hat das Treffen der Trostberger Willi Gärtner. Seit vier Jahren nennt er einen Merlin sein Eigen, seit drei Jahren ist der Wagen fahrtüchtig. "Ein ganzes Jahr Arbeit habe ich ins Auto gesteckt, da war sehr viel im Argen", erzählt Gärtner. Die Elektrik war zu erneuern, die maroden Steckverbindungen, die Auspuffanlage. "Ich mach so viel wie nur irgend geht selber." Diese Leidenschaft teilt er mit den meisten der anderen Merlin-Besitzer - diese und die Liebe zu britischen Oldtimern. "Ich hab schon immer von einem englischen Zweisitzer geträumt." Mit der Morgan-Replika hat er sich diesen kostspieligen Traum in einem finanziell verhältnismäßig überschaubaren Rahmen erfüllt.

Sein Rechtslenker Baujahr 1971, ein 101-PS-starker, in England gebauter Merlin TF, blitzt und glänzt Knallrot. Es ist nicht alles Blech was glänzt, die Karosserie ist aus glasfaserverstärktem Kunststoff, kurz GFK. Das Material ist nicht ganz unproblematisch, wie Gärtner feststellen musste. Er hatte sein Auto lackieren lassen, doch der neue Lack griff die alte Beschichtung an, die Motorhaube fiel beinahe rachitisch ein. Ein befreundeter Autoschrauber aus Tschechien bog das aber schließlich wieder hin.

Nach den zeitaufwändigen Restaurationsarbeiten die ein solches Gefährt mit sich bringt war die Planung des dreitägigen Merlin-Treffens im Chiemgau ein Klacks. "Zehn Tage hab ich dafür etwa investiert." Hotelbuchung, Einladungen versenden, die Strecken für die Ausfahrten am Computer aussuchen, Touristeninformationen zusammenstellen, Besichtigungen organisieren. "Die Strecken bin ich etwa zehn Mal abgefahren, hab geschaut ob sie Merlin tauglich sind, hab sie dann auch etwa zehn Mal geändert. Man will den Gästen ja was bieten." Jedes Jahr kommen die Merlin-Enthusiasten zum Erfahrungsaustausch, zum Fachsimpeln und zum Bestaunenlassen ihrer Schmuckstücke zusammen, jedesmal bei einem anderen. Für Gärtner ist es das vierte Treffen. Er war mit seinem Merlin im Schwarzwald in der Eiffel und auf Sylt.

Die weiteste Anreise nach Trostberg hatte ein Paar aus Bremen. Allerdings gönnten die beiden sich und ihrem Wagen eine geruhsame Fahrt von Hamburg in den Chiemgau auf dem Autoreisezug. Nicht so Ton. Der ist Holländer und benutzte demgemäß natürlich die deutschen Autobahnen. Übrigens Tons Merlin hat keine Anhängerkupplung. Ein Stück weit überrascchend eigentlich.

Bei ihrer Chiemgau-Tour wurde den Merlin-Freunden gestern auf der von Gärtner zusammengestellten Route einiges geboten, eine Chiemsee-Rundfahrt, dann von Seebruck über Amerang, Obing und Garching nach Burghausen wo eine Burgbesichtigung auf dem Programm stand. Heute geht’s nach Waging, Traunstein, Ruhpolding, Berchtesgaden und Bad Reichenhall.

Die Eisheiligen machen den Merlin-Fahrern angeblich nichts aus. Standartmäßig hat der Merlin keine Seitenscheiben, an den Verdecken sind höchstens Plastikscheiben mit Klett- oder Reißverschlüsen befestigt. Und die Decke gehört sowieso zum Inventar. Da gibt’s einfach kein schlechtes Wetter nur die falsche Kleidung.

Heute ab 17 Uhr können die Fahrzeuge noch einmal in der Hauptstraße besichtigt werden bevor’s für die Autmobilisten wieder in die Heimat geht. Bei Wind und Wetter über die Straßen, manche auf Hängern. Oder im Autoreisezug.

Trostberger Nachrichten 16. Mai 2010

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